„Konflikte im Team sind etwas Negatives und Du solltest sie unbedingt vermeiden.“ Hören Facilitator*innen diese Aussage, werden viele von ihnen innerlich die Augen verdrehen. Denn Facilitator*innen vermeiden oder unterdrücken Konflikte nicht. Sie bringen die Fähigkeit mit, sie sinnvoll zu nutzen. Facilitation ist nicht dazu da, die Crew von Beginn bis Ende harmonisch auf seichten Gewässern zu begleiten. Vielmehr kommt es in Workshops zeitweise zu Reibung, Konflikten und Frust.
Gute Facilitation ist dabei auch mal unbequem und macht damit die Spannungen sichtbar, die unter der Oberfläche brodeln. Manchmal entstehen dadurch sogar neue Probleme. Die sind aber kein Rückschritt, sondern der Anfang von Bewegung. Die entstehenden Spannungen können Crews nutzen, um sich weiterzuentwickeln, sich gegenseitig zu verstehen und endlich gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wie Facilitation dabei unterstützen kann, klug mit Konflikten im Team umzugehen und sie sinnvoll zu nutzen, zeigen wir Dir in diesem Artikel.
Weg mit der Workshop-Fassade: Wieso Konflikte im Team dazugehören
Alle lächeln, alles ist bunt, aber am Ende hat sich nichts bewegt. Diese Art von Workshops kennen wir. Die zuvor definierten Themen werden zwar besprochen, vielleicht entsteht auch ein visuelles Ergebnis, aber einige Wochen nach dem Workshop ist die Crew wieder in alte Muster verfallen. Oft ist diese Situation auf den sprichwörtlichen Elefanten im Raum zurückzuführen, der noch immer sein Unwesen treibt und nicht angesprochen wurde, weder im Workshop noch danach: Teamkonflikte, die die Crew blockieren und ohne Lösung dafür sorgen, dass Veränderungen schlicht nicht entstehen können.
Denn genau da beginnt Facilitation: wo es unbequem wird, nicht da, wo alle happy sind. Schon in der Auftragsklärung graben Facilitator*innen tiefer. Plötzlich tauchen Themen auf, die vorher unbewusst waren: Spannungen, die niemand bemerkt hat oder Muster, die unter der Oberfläche lagen. Facilitator*innen wissen, dass großes Potenzial in Konflikten liegt und wie sie sie effektiv in Workshops und für wirkliche Veränderung in der Crew einsetzen können. Sie wissen:
- Konflikte sind kein Problem, sondern eine Einladung zur Veränderung.
- Sie machen unbewusste und unkommunizierte Probleme sichtbar.
- Sie fördern Kreativität und Innovation.
- Sie fördern die Teamentwicklung.

Facilitation ist keine Mediation: aber was genau ist der Unterschied?
Bevor wir tiefer einsteigen: Facilitation arbeitet mit Konflikten. Sie löst sie aber nicht im Sinne einer Mediation – ein wichtiger Unterschied. Es geht zwar auch in der Facilitation oft um Konflikte, allerdings sind Facilitator*innen keine Mediator*innen und die Konflikte sind andere. Während Mediation mit persönlichen und zwischenmenschlichen Konflikten arbeitet, bewegt Facilitation sich auf einer inhaltlichen Ebene und löst zum Beispiel Konflikte zur Ausrichtung oder zur Idee.
Facilitator*innen gestalten Räume, in denen Klarheit wächst. Sie begleiten den Prozess, in dem Lösungen möglich werden, aber sie lösen die Probleme nicht selbst. Sie unterstützen Crews dabei, besser zu kommunizieren, neue Wege zu gehen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Sie bringen Struktur, Methoden und Perspektiven. Ihr Fokus liegt auf dem gemeinsamen Verständnis, auf Gruppendynamiken und darauf, dass Teams ihre eigenen Antworten finden, nicht aber auf der Lösung persönlicher Konflikte.
Mediator*innen hingegen sind genau dafür ausgebildet und vermitteln zwischen zwei oder mehreren Konfliktparteien. Sie schaffen im Rahmen der Mediation einen sicheren Raum für schwierige Gespräche und unterstützen bei der Lösungsfindung. Mediation setzt dort an, wo persönliche oder zwischenmenschliche Konflikte eskaliert sind.
Die Kernfrage ist letztendlich: Geht es um einen interpersonellen Konflikt, der vermittelt werden darf? Oder geht es darum, als Gruppe gemeinsam voranzukommen?
Facilitation bringt Gruppen in Bewegung. Sie nutzt Spannungen produktiv, macht unterschiedliche Perspektiven sichtbar und begleitet Crews durch unbequeme Phasen, damit echter Dialog entsteht und sie ihren Zielhafen erreichen. Das kann Konfrontation bedeuten, ist aber nicht auf die Lösung persönlicher Konflikte zwischen Einzelpersonen ausgelegt.
Facilitation begleitet Veränderungsprozesse für Crews, die gemeinsam ihren Zielhafen erreichen wollen.
Mediation vermittelt zwischen Konfliktparteien bei persönlichen Auseinandersetzungen.
Aufgabe der Facilitation: Spannung erkennen und Konflikte im Team nutzen
Wie kann Facilitation jetzt aber dabei helfen, Konflikte im Team zu lösen und produktiv zu machen? Dafür gibt es mehrere Wege.
- Spannung erkennen
Konflikte und Spannung, auch unbewusste, zeigen sich oft subtil: eine ironische Bemerkung hier, ein zynischer Witz dort, Ergebnisse werden passiv abgenickt, Argument wiederholen sich. Auch plötzliche Stille ist ein wichtiger Indikator für eine angespannte Situation. Facilitator*innen haben die Aufgabe, diese Spannungen einerseits zu erkennen und andererseits einen Raum zu schaffen, in dem sie auch für die Crew sichtbar und besprechbar werden. Die zentrale Frage dabei: Was ist gerade unausgesprochen wichtig? Was liegt unter dem tatsächlich Gesagten? - Stille zulassen
Wird es während einer Gesprächsrunde oder Diskussion ruhig, sorgt das schnell für Unbehagen und ein Bedürfnis zum Brechen der Stille. Aber: Stille ist nicht das Gegenteil von Gespräch. Sie ist vielmehr die Vorstufe zu wichtigen Erkenntnissen. Gute Facilitator*innen halten diese Stille im Raum, statt sie sofort zu deuten oder selbst zu brechen. Sie lassen das Schweigen im Raum stehen, bis Klarheit entsteht. Denn nicht alle möchten sofort reden, aber viele haben etwas zu sagen, nachdem sie das zuletzt Gesagte verarbeiten durften. - Prozessbegleitung in Konfliktphasen
Entstehen Konflikte im Team während eines Workshops, läuft die Crew Gefahr, sich in diesen Konflikten zu verlieren und am Ende zu keiner sinnvollen Lösung zu gelangen. Facilitator*innen haben die Aufgabe, Struktur zu geben und jeden Konflikt klug zu begleiten. In diesem Konfliktmanagement kann prozesshaftes Denken hilfreich sein: Öffnen – Klären – Konfrontieren – Lösungsfindung – Entscheidung. So verliert sich die Gruppe nicht im Konflikt, sondern segelt hindurch. - Ergebnisse sichern
Die wichtigste Aufgabe der gesamten Crew ist es, aus ihrem Konflikt zu lernen, um daran wachsen zu können. Facilitator*innen dürfen die Ergebnisse sichern, indem sie die Dynamik der Crew annehmen und steuern, um so Konflikte zu etwas Produktivem zu machen. Die Crew kann im Anschluss beantworten: Was haben wir gelernt? Wer macht was? Wie geht es jetzt weiter? Wichtig sind an dieser Stelle Dokumentation, klare Rollen und Follow-ups, um die Ergebnisse und Erkenntnisse zu festigen und im Alltag auf See einzusetzen.
Die Rolle von Facilitator*innen bei Konflikten in der Crew ist also vor allem begleitend. Sie sind keine neutralen Beobachter*innen, aber auch keine Coaches. Stattdessen halten sie den Raum, managen Spannungen und treten als Impulsgeber*innen auf. Sie konfrontieren und helfen dabei, Konflikte aufzudecken, stellen aber niemals ein Crewmitglied bloß. Facilitation ist empathisch und gleichzeitig konfrontativ. Im Grunde genommen schafft sie eine Struktur und einen sicheren Raum, in dem sich Spannung entfalten darf, ohne Schaden zu verursachen.
Die Groan Zone als Brennpunkt

Schauen wir uns das Diamond Model of Participation von Sam Kaner an, werden Konflikte in Workshops oder den einzelnen Manövern sogar aktiv einkalkuliert. Im Übergang von der divergenten Phase der Ideenfindung zur konvergenten Phase der Lösungserarbeitung entsteht eine emergente Phase des Erforschens, die sogenannte Groan Zone. In die Praxis übertragen bedeuten diese theoretischen Begriffe: Es herrschen oft Frust, Überforderung, Verwirrung, Ohnmacht oder auch Widerstand innerhalb der Crew, da viele verschiedene Sichtweisen und Ideen aufeinandertreffen. Die Crewmitglieder*innen stehen vor einer Herausforderung: Sie dürfen sich auf andere Sichtweisen einlassen, Optionen erforschen und die Bedürfnisse anderer erkennen. Facilitator*innen wiederum haben die Aufgabe, die Crew durch stürmische Gewässer zu navigieren und sie dabei zu begleiten, alle Sichtweisen zu erforschen und sich einer gemeinsamen Perspektive anzunähern. Sie können in der Praxis:
- Struktur geben
- Den Prozess und Ablauf klarmachen
- Emotionen integrieren
Wer eine Crew sinnvoll durch die Groan Zone begleitet, kann den Kompass auf echte Entwicklung ausrichten. Wird die Phase jedoch ignoriert, kann schnell ein Schein-Ergebnis entstehen, das zugrundeliegende Konflikte nicht gelöst hat und somit kaum Veränderung ermöglicht.
Insider-Tipp: Hilfreiches Vorgehen bei Konflikten im Team
Als Facilitator*innen nehmen wir immer nur eine begleitende Rolle ein. Wir unterstützen Crews mit Methoden und Werkzeugen, eigenständig ihren Weg zum Zielhafen zu finden. Dabei ist es aber manchmal hilfreich und nötig, den Kurs ein wenig zu ändern, um wirksame Ergebnisse zu erzielen. Manchmal läuft ein Workshop-Tag einfach zu reibungslos ab. Dann können Facilitator*innen Konflikte und die Groan Zone sogar absichtlich provozieren.
Erarbeitet eine Crew etwa gerade ein Modell im Zuge von Lego® Serious Play®, ist es schlicht unrealistisch, dass sich schon nach der ersten Runde alle repräsentiert fühlen. Vielmehr führen erst mehrere Storytelling-Runden in der Erarbeitung des Modells dazu, dass sich das gemeinsame Verständnis und schlussendlich das Gefühl der Resonanz entwickelt. Entstehen entsprechende Konflikte jedoch nicht während der Erarbeitung, kann der*die Facilitator*in sich zum Beispiel selbst den Hut des Kritikers aufsetzen und mögliche Reibungspunkte aktiv ansprechen. So können Reibungspunkte aufgedeckt und direkt gemeinsam gelöst werden.
Besteht bereits ein Konflikt, können auch Crewmitglieder*innen sich verschiedene Hüte aufsetzen. So nehmen sowohl Mitarbeiter*innen als auch Führungskräfte neue Perspektiven ein und können sich selbst und ihre persönlichen Werte und Einstellungen aus der Situation herausnehmen, um andere Ansichten zu verstehen.
Fazit: Facilitation macht Konflikte im Team produktiv und nutzt sie sinnvoll
Facilitation ist nicht dazu da, dass sich alle wohlfühlen. Sie ist kein Hype-Event mit bunten Post-its und chilliger Lounge-Musik. Sie ist dazu da, dass sich etwas bewegt. Dazu, Räume zu gestalten, in denen Klarheit wächst, damit Teams gemeinsam ihre Antworten finden – nicht dazu, sofort Lösungen zu liefern. Manchmal sorgt das für Konflikte, eine Groan Zone, die mit Frustration und Diskussionen gefüllt ist und unangenehme Stille im Raum. Manchmal entstehen sogar neue Probleme. Die sind aber kein Rückschritt, sondern nur die Sichtbarkeit von Themen, die bisher unter der Oberfläche lagen. Gleichzeitig ergeben sich hieraus auch wichtige Chancen: Die Crew erkennt interne Machtstrukturen, lässt Feedback zu und ermöglicht so gemeinsame Entscheidungen, die sie zum Zielhafen bringen.
Du stehst mit deinem Team an einem Punkt, an dem Spannung spürbar ist, aber niemand so recht weiß, wie man damit umgehen soll? Ich unterstütze euch dabei, Konflikte sichtbar, verhandelbar und gestaltbar zu machen.



