Facilitation – Was zur Hölle ist das?
Diese Frage zählt wohl zu einer der häufigsten Fragen an Facilitator*innen. Was zur Hölle machst Du eigentlich den ganzen Tag? Warum nutzt Du keinen deutschen Begriff für deinen Beruf? Und ist Facilitation nicht das gleiche wie Workshop Moderation? Unser Ziel ist es heute, all diese Fragen zu beantworten und einen Blick hinter die Kulissen der Facilitation zu geben – und dabei zu erklären, wieso viele Facilitator*innen liebend gern mit einem Augenrollen reagieren, wenn ihre Tätigkeit mit der Moderation gleichgesetzt wird.
Was ist Facilitation und welche Ziele können wir damit erreichen?
Der Begriff Facilitation hat seinen Ursprung im lateinischen Adjektiv facilis, e, das in der Übersetzung auf Deutsch für leicht oder einfach steht. Laut dem Cambridge Wörterbuch bedeutet Facilitation „Menschen bei der Bewältigung eines Prozesses oder beim Erarbeiten einer Lösung [zu] helfen, ohne selbst direkt in den Prozess, die Diskussion usw. involviert zu sein.“ Die Wortdefinition allein zeigt uns also bereits, worum es bei Facilitation geht. Als Facilitator*innen erleichtern wir es Crews, ihre Ziele zu erreichen. Dazu ermöglichen wir eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und öffnen den Raum zur Problemlösung. Was im ersten Moment noch immer etwas abstrakt klingt, lässt sich besser verstehen, sobald wir uns die Vielzahl an möglichen Zielen eines Teams anschauen:
- Probleme lösen
- Ideen finden
- Darüber reflektieren
- Entscheidungen treffen
- Pläne machen
Von kreativen Prozessen zur Ideenfindung über die Raumöffnung zur Diskussion bis hin zur Begleitung beim Erstellen von Plänen für die zukünftige Zusammenarbeit im Sinne der Teamentwicklung kann Facilitation also beim Erreichen zahlreicher Ziele unterstützen.
Besonders wichtig ist dabei jedoch auch der zweite Teil der Wortdefinition: „… ohne selbst direkt in den Prozess, die Diskussion usw. involviert zu sein.“ Facilitator*innen stoßen Veränderungen an, ohne den Weg dafür vorzugeben. Vielmehr gestalten wir das Drumherum – den Raum, die Vorgehensweisen und Tools, die schließlich zur erfolgreichen Problemlösung führen sollen.
Du möchtest mehr über die Funktion der Facilitator-Rolle erfahren? Schau Dir gerne unseren Eintrag im New Work Glossar dazu an!
Was macht jetzt aber ein*e Facilitator*in konkret und was macht sie*ihn aus?
Facilitator*innen geben Gruppen den Raum, ihre Ziele zu erreichen – mithilfe von systemischen Fragen, kreativen und interaktiven Methoden in Workshops. Dabei nehmen sie ganz unterschiedliche Rollen ein, was der übergeordneten Haltung einen umso größeren Wert zuschreibt.
Mögliche Rollen von Facilitator*innen
Während wir Workshops facilitieren, schlüpfen wir in unterschiedliche Rollen – vor, während und nach der tatsächlichen Veranstaltung. Wir sind …
… Beobachter*in von Raum und Menschen und hören aktiv zu.
… Eventmanager*in, während wir den Workshop organisieren und gestalten.
… Crewmitglied, da wir allen Teilgeber*innen auf Augenhöhe begegnen.
… Trainer*in, der*die der Crew Methodenkompetenz vermittelt.
… Prozessdesigner*in, da wir Zeit und Ablauf im Auge behalten.
… Coach*in durch die Unterstützung bei Herausforderungen.
… Expert*in, während wir inhaltliche Impulse geben.
… Lots*in, indem wir die Gruppe zu ihrem Ergebnis begleiten.
Die große Kunst der Facilitation besteht unter anderem darin, diese Rollen zu verstehen und sie zu gegebenen Zeitpunkten einzunehmen – jedoch niemals unaufgefordert.
Werte & Haltung in der Facilitation
Facilitation ist eine Haltung, ein Mindset und die Art, methodisch Menschen zu führen. Diese Haltung vereint dabei alle Grundsätze der Facilitation – die Rollen und Werte. Deshalb ist es auch so schwierig, eine klassische Jobbeschreibung für Facilitator*innen zu erstellen oder eine standardisierte Ausbildung zu finden. Sie nehmen eine Vielzahl an Rollen ein, vertreten zahlreiche systemische Werte und fassen all das zur so wichtigen Haltung zusammen: der Haltung, Gruppen Eigenverantwortung zu ermöglichen, ein gemeinsames Verständnis zu erforschen und damit ihre Ziele auf die für sie richtige Weise erreichen zu können. Die systemischen Werte, die die Basis für diese Haltung bilden, können beispielhaft so aussehen:
- Neutralität: Facilitatorinnen geben den Raum für Eigenverantwortung – dabei sind sie neutrale Beobachterinnen, statt eine feste Route für die Crew vorzugeben.
- Wertfreiheit: In der Facilitation geht es darum, Lösungen auf die zum Team passende Art zu erarbeiten. Dabei sind die Sichtweisen jedes einzelnen Teilgebenden essenzieller Bestandteil.
- Empathie: Sowohl bei der Gestaltung als auch der Durchführung eines Workshops spielt Empathie eine wichtige Rolle. Wie geht es den Menschen und was kann ich zwischen den Zeilen des Gesagten lesen?
Dabei gibt es 3 Handlungsprinzipien, nach denen Facilitator*innen sich richten:
- Aufmerksam facilitieren: Es gilt, alle Sichtweisen und Perspektiven in den Prozess zu integrieren. Jedes Crewmitglied hat den Platz im Workshop verdient und kann wichtige Impulse zur Lösung des Problems geben. Nur so ist es möglich, das Gesamtbild zu betrachten.
- Lösungen hinterfragen: Erste Lösungen entstehen mitunter schnell. Es gilt jedoch immer, diese Lösungen nicht direkt in Stein zu meißeln, sondern sie zunächst zu testen und zu hinterfragen. Die Frage: „Welches Ziel möchten wir verfolgen?“ und eine Ergebnis-Ooffenheit stehen immer im Mittelpunkt.
- Ein gutes Umfeld schaffen: Hierbei geht es sowohl um den Raum als auch um die Gruppe. Effektive Facilitation benötigt einen offenen Raum, um kreativ und innovativ zu sein, aber auch einen Safe Space, um Meinungen ohne Wertung kundtun und diskutieren zu können.
Was auch immer das Problem sein mag, Gemeinschaft ist die Lösung.
Margaret Wheatley
Ist Facilitation nicht das gleiche wie Workshop Moderation?
Immer wieder wird Workshop Facilitation mit der klassischen Moderation gleichgesetzt. Verständlich – schließlich geht es bei beiden Themen um das Durchführen von Workshops mit Teams. Den großen Unterschied macht jedoch ein wichtiges Adjektiv: systemisch.
Das Ziel einer Moderation ist oft ein reiner Informations- oder Meinungsaustausch – dieser Austausch folgt dabei linear einem klar vorgegebenen Skript. Bestätigt wird diese Vorgehensweise bereits durch die Herkunft des Begriffs Moderation: Er wird abgeleitet vom lateinischen *moderatio* und lässt sich übersetzen mit *Mäßigung* oder *Leitung*. Klassische Moderator*innen achten demnach darauf, dass alle vorbereiteten Themen und Fragen abgearbeitet werden und verteilen dabei strukturierte Impulse und Aufgaben.
Während in der Moderation also ein linearer Prozess angeleitet wird, ähnlich wie in einem regulären Meeting, bildet die systemische Grundhaltung die Basis für Facilitation. Das bedeutet, statt Prozesse und Wege für einen Workshop strikt nach einem festen Skript vorzugeben, öffnet Facilitation den Raum für die Teilgebenden. Die Route wird anders als in der Moderation während des Workshops den Gegebenheiten angepasst, das Skript wird währenddessen geschrieben. Teilgeber*innen sollen eigenständig eine Lösung für ihr Problem erarbeiten, ihre eigene Route für ihren Segeltörn finden, und erhalten dabei Hilfestellung in Form von spielerischen, kreativen Methoden und Tools durch die*den Facilitator*in. Facilitation bringt die Teilgeber*innen in Aktion und verknüpft dabei systemische, selbstorganisierte und agile Ansätze. Dabei nehmen Facilitator*innen vielfältige Rollen ein, während Moderator*innen in ihrer Moderator*innen-Rolle bleiben.
Facilitation steht für:
- Facilitator*in in begleitender Funktion
- Systemische, selbstorganisierte und agile Ansätze in Kombination
- Vielfältige Rollen vor, während und nach einem Workshop
- Veränderung anstoßen, ohne einen festen Weg vorzugeben
- Interaktive, kreative und spielerische Methoden
Workshop Moderation bedeutet:
- Moderator*in in leitender Funktion
- Lineare Prozesse
- Partizipative Lösung von Problem- und Fragestellungen
- Bleibende Rolle als Moderator*in
Warum eine systemische Haltung der Anker für effektive Facilitation ist
Nicht die Methoden, nicht die Tools und auch nicht unsere eigene Fachkenntnis sorgt für Erfolg, sondern unsere Haltung. Möchten wir effektive Workshops facilitieren, ist eine systemische Haltung unumgänglich. Als Facilitator*innen ist es unser Ziel, den Weg zu Veränderung im Team zu begleiten – ihn jedoch nicht vorzugeben. Vielmehr geben wir den Raum, indem wir systemische Fragen stellen und kreative und interaktive Methoden in unseren Workshops einsetzen. Ob mit Lego® Serious Play®, Rollenspiele oder Klebezetteln – die besten Tools und Methoden machen uns nicht zu effektiven Facilitator*innen. Unsere Haltung ist die Grundlage, die Facilitation zu einer Schlüsselkompetenz für neues Arbeiten und Leadership macht.